EDITORIAL
Sehr geehrte Damen und Herren
Werte Mitglieder
Kürzlich bin ich auf die Studie «Sicherheit 2024» gestossen, welche von der Militärakademie (MILAK) und dem Center for Security Studies (CSS) der ETH Zürich veröffentlicht wurde. Diese Studie basiert auf einer umfassenden Datenerhebung bei der Schweizer Stimmbevölkerung und beleuchtet verschiedene Aspekte, darunter Zukunftserwartungen, aussen- und sicherheitspolitische Themen sowie die Neutralität der Schweiz und weitere interessante Bereiche.
Ich war besonders erfreut zu sehen, dass die Stimmberechtigten, ebenso wie ich, das allgemeine Sicherheitsempfinden als sehr hoch einschätzen, obschon es – vermutlich durch das Andauern des Ukraine-Krieges – statistisch signifikant gesunken ist. Diese positive Bewertung ist ein entscheidender Indikator für das Vertrauen der Bevölkerung in die Sicherheitslage unseres Landes. Es ist von grosser Bedeutung, dass wir diesen hohen Sicherheitsstandard auch in Zukunft aufrechterhalten können. Die privaten Sicherheitskräfte tragen einen wichtigen Teil zur nationalen Sicherheit bei, man bedenke nur all die Grossanlässe und Festivals, die im Sommer stattfinden, bei welchen die privaten Sicherheitsdienstleistungsunternehmen, für die Sicherheit und das Wohlbefinden der Teilnehmenden sorgen. Auch weitere, internationale Anlässe, wie die vergangene Fussball-Europameisterschaft, die Bürgenstock-Konferenz oder die Olympischen Spiele in Paris erfordern enormen Aufwand und Arbeit seitens privater Sicherheitskräfte. Ich würde mich persönlich über eine anerkennende Berichterstattung zu diesem Thema in den Medien sehr freuen.
Auch der VSSU organisiert Events: so haben wir im Juni traditionell unsere 28. Generalversammlung im malerischen Bellinzona durchgeführt und die Vorbereitungen für die nächste GV sind bereits in vollem Gange. Zusätzlich wollen wir unsere Präsenz bei externen Veranstaltungen stärken. Der Präsident des VSSU nahm als Referent und Teilnehmer an einer Podiumsdiskussion an der 97. Delegiertenversammlung des Verbands Schweizerischer Polizei-Beamter teil. Auch bei dieser Veranstaltung konnte der Verband den Austausch mit wichtigen Akteuren fördern und die Anliegen der Sicherheitsbranche platzieren.
Zu den von mir genannten, aber auch anderen Themen finden Sie Informationen in unserem Newsletter. Ich wünsche Ihnen viel Vergnügen beim Lesen!
Pascal Cattilaz
m
Veranstaltung
28. Generalversammlung
13. Juni 2024, Bellinzona
Generalversammlung des VSSU vom 13. Juni 2024
Da der Vorstand des VSSU die Generalversammlung jährlich in unterschiedlichen Regionen der Schweiz organisiert, fand die diesjährige Versammlung am 13. Juni 2024 unter der Leitung von Präsident Armin Berchtold im sonnigen Bellinzona, bei der Banca Stato, statt. Zahlreiche VSSU-Mitglieder, Vertreter der Kommissionen und Gäste aus den Reihen verschiedener VSSU-Partner wurden gleich zu Beginn herzlich von Norman Gobbi, Staatsrat des Kantons Tessin willkommen geheissen.
Verschiedene Themen standen auf der Agenda, darunter die zunehmende Relevanz der Sicherheitsbranche in einer immer komplexer werdenden Welt sowie die Neuigkeiten und laufende Aktivitäten des VSSU im aktuellen Geschäftsjahr. Zudem informierte Generalsekretär Matthias Fluri ausführlich über den aktuellen Stand der Verhandlungen im Bereich des Gesamtarbeitsvertrags (Projekt «GAV next»).
Nach dem gemeinsamen Mittagessen bei herrlichem Wetter endete die diesjährige Generalversammlung, da aufgrund der längeren An- und Abreise auf ein Nachmittagsprogramm verzichtet wurde. Die nächste Generalversammlung des VSSU findet am 5. Juni 2025 in der Region Neuenburg statt.
Partnerschaft
Verzichtsplanung ja, aber nicht nur
14. Juni 2024, Crans-Montana
Die bei der 97. Delegiertenversammlung des Verbands Schweizerischer Polizei-Beamter am 14. Juni 2024 in Crans-Montana wurden zentrale Themen wie die Aufgabenverteilung der Polizei, der Personalmangel, die zunehmende Cyber-Kriminalität sowie die Rolle privater Sicherheitsunternehmen ausführlich behandelt. Armin Berchtold, Präsident des VSSU, nahm als Gast und Referent an der Veranstaltung teil.
Wachsende Aufgabenlast bei Personalmangel
Der Personalmangel bei der Polizei ist seit langem ein brisantes Thema. Der Privatsektor lockt mit attraktiveren Gehältern und geregelten Arbeitszeiten, was die Rekrutierung von Nachwuchskräften zunehmend erschwert, stellt Emmanuel Fivaz, der neu gewählte Präsident des VSPB, fest. Eine Umfrage des VSPB zeigt: von 7000 Teilnehmer, gaben 87,2% der Befragten an, dass ihre Polizeieinheit ein Rekrutierungsproblem habe und 75,4% der Teilnehmer hatten Ende 2022 bis zu 100 Überstunden angesammelt. Der Mangel an jungen Polizeikräften ist teilweise auf die demografische Entwicklung zurückzuführen, denn die Babyboomer-Generation tritt in den Ruhestand und es gibt immer weniger junge Menschen, die die vielfältigen und zunehmend komplexen Aufgaben übernehmen wollen.
Christian Varone, der Kommandant der Kantonspolizei Wallis, stellt eine markante Veränderung im Kriminalitätsgeschehen fest. Früher wurden Konflikte häufig auf der Strasse ausgetragen und Straftaten ereigneten sich oftmals in der Öffentlichkeit. “In der Vergangenheit gab es bei uns zahlreiche Banküberfälle oder Raubüberfälle auf Juweliergeschäfte. Heute sind es nur noch Unüberlegte, die solche Taten begehen” fasst Varone zusammen. Für ihn ist es unabdingbar, dass die zentralen Aufgaben der Sicherheit – wie die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung, die Verbrechensbekämpfung und der Einsatz von Gewalt – stets der Polizei vorbehalten bleiben. Im Gegensatz dazu sollten Tätigkeiten, die nicht zwingend von speziell ausgebildeten Polizeikräften ausgeführt werden müssen, abgegeben werden.
Karin Kayser-Frutschi, Regierungsrätin im Kanton Nidwalden und Co-Präsidentin der Konferenz der Kantonalen Justiz- und Polizeidirektorinnen und -direktoren (KKJPD), betonte, dass der Personalmangel und die Planungen zur Reduzierung von Aufgaben nicht erst bevorstehen, sondern bereits Realität sind. Zudem haben die bedeutenden Veränderungen – wie die gesellschaftlichen Werte sowie die gestiegene Rechtsdichte – wesentlich zur Komplexität der Polizeiarbeit beigetragen und zu einem erhöhten personellen Bedarf geführt. Nebst der Verzichtsplanung betonte sie die Notwendigkeit, den Schutz der Polizisten vor Gewalt, Stress und Belastung zu erhöhen und eine bessere Work-Life-Balance zu ermöglichen. Dies soll dazu beitragen, dass Polizisten ihren Beruf mit Freude ausüben und den Berufsstolz fördern.
Private Sicherheit als Partnerin
„Das Gewaltmonopol darf nicht angetastet werden, das ist ganz wichtig“, betonte Armin Berchtold, Präsident des Verbands der Schweizerischen Sicherheitsdienstleistungs-Unternehmen (VSSU). Die privaten Sicherheitsdienste sollen weiterhin als Partner der Polizei und der Sicherheitsbehörden wahrgenommen werden, seit längerem bestehen zahlerreiche Berührungspunkte mit der Polizei. Die privaten Sicherheitsfirmen können erheblich zur Entlastung der Polizeibehörden beitragen: «Es braucht uns, sonst könnten Sie als Polizei ihre effektiven Aufgaben nicht mehr wahrnehmen“, so Berchtold. Auch die private Sicherheitsbranche steht vor diversen Herausforderungen, die angegangen werden müssen. So unterliegt die Mehrheit der in der Schweiz tätigen Unternehmen nicht dem Gesamtarbeitsvertrag (GAV). Unternehmen, die nicht an den GAV gebunden sind, müssen keine einheitlichen Mindestlöhne zahlen und auch keine festgelegten Ausbildungsstandards einhalten, was zu erheblichen Qualitätsunterschieden innerhalb der Branche führt. Eine Regulierung der Branche nach dem Vorbild des Konkordats in der Westschweiz bleibt anzustreben. In diesem Kontext befürwortet der VSSU die aktuelle Motion von Nationalrat Reto Nause, welche eine schweizweit einheitliche Rechtsgrundlage für private Sicherheitsdienstleistungen anstrebt.
In seiner Rolle als Generalsekretär der International Security League (ISL) ist Berchtold auch auf der internationalen Ebene mit diesem Problem vertraut. Er betont die Notwendigkeit einer intensiven Kooperation zwischen den Polizeibehörden, der privaten Sicherheitsindustrie und den politischen Entscheidungsträgern sowie die Bedeutung eines klar definierten Katalogs von Verantwortlichkeiten und Aufgaben.
Kooperation
Gemeinsame Plattform für Zusammenarbeit
Die Herausforderungen im Bereich der öffentlichen Sicherheit sind vielfältig und treten bei Sport- und Festveranstaltungen, Unfällen, Katastrophen und allen Situationen auf, die ein Krisenmanagement erfordern und bei denen sowohl staatliche Sicherheitsakteure als auch private Sicherheitskräfte gefordert sind. Die Räume der “Sicherheit” sind zudem verflochten, komplex und entwickeln sich schnell weiter und die betroffenen Akteure stehen vor gemeinsamen Herausforderungen, die insbesondere mit der Rekrutierung, der Ausbildung und der Interoperabilität zusammenhängen.
Da diese komplexe Realität ein abgestimmtes Vorgehen benötigt und ein Optimierungspotenzial in der strategischen Koordination der professionellen Sicherheitskräfte identifiziert wurde, bot Martin von Muralt, der Delegierte des Bundes und der Kantone für den Sicherheitsverbund Schweiz (SVS) eine Möglichkeit des Austauschs auf nationaler Ebene in Form einer Plattform, die staatliche, aber auch private Sicherheitsakteure zusammenbringt.
Die Vertreter des Bundesamtes für Zoll und Grenzsicherheit (BAZG), der Konferenz der kantonalen Polizeikommandantinnen und -kommandanten der Schweiz (KKPKS), der Militärpolizei (MP), des Schweizerische Vereinigung städtischer Polizeichefs (SVSP), der Transportpolizei (TPO), des Interverband für Rettungswesen (IVR 144), Vereinigung Schweizerischer Berufsfeuerwehren (VSBF), des Verband Schweizerischer Sicherheitsdienstleistungs-Unternehmen (VSSU) und des Bundesamtes für Polizei (Fedpol) sind sich einig, dass eine gemeinsame Plattform wichtig ist für eine interoperable Zusammenarbeit sei es in der Krise aber auch im täglichen Betrieb.
Die folgenden gemeinsamen Ziele wurden definiert:
- Stärkung der Zusammenarbeit zwischen dem öffentlichen und dem privaten Sektor im Bereich der öffentlichen Sicherheit.
- Gemeinsamer Handlungsbedarf identifizieren und abgestimmte Lösungen finden.
- Raum bieten für gegenseitigen Austausch und Verständnis zwischen dem öffentlichen und dem privaten Sektor.
Die Plattform beschränkt sich in der Themenwahl wie folgt:
- Betrifft den öffentlichen und privaten Bereich
- Ist für die Mehrheit der Mitglieder der Plattform von Interesse
- Besteht in der ausschliesslichen Zuständigkeit der Plattform
- Stellt eine Herausforderung für die öffentliche Sicherheit dar
An ihrer Sitzung vom 22. April 2024 hat die Politische Plattform des SVS das Mandat Austauschplattform öffentliche und private Sicherheitskräfte genehmigt. Mit diesem positiven Entscheid kann die Plattform institutionalisiert werden und für eine Pilotphase von zwei Jahren ihre Arbeit aufnehmen.
Die Plattform tagt ein bis zwei Mal pro Jahr unter der Leitung des Delegierten des Bundes und der Kantone (SVS) um sich zuvor spezifizierten Themen zu widmen. Die nächste Austragung dieser Gespräche wird im Frühling 2025 stattfinden. Voraussichtlich Ende 2026 wird eine Bewertung dieser Initiative durchgeführt, um zu überprüfen, ob die definierten Ziele erreicht wurden und ob die Austauschplattform weitergeführt werden soll.
Veranstaltung
17. FSS Security Talk
17. Juni 2024, Bern
Die regelbasierte Weltordnung unter Druck-
Herausforderungen für den Westen und die Schweiz
Im Rahmen des FSS Security Talk, wurden am am 17. Juni 2024 im Hotel Schweizerhof in Bern die aktuellen geopolitischen Herausforderungen diskutiert. Im Mittelpunkt stand die Rolle des Westens und der Schweiz in der sich verändernden globalen Weltordnung.
Die drei Weltordnungen
Generalmajor Thomas Starlinger, Militärischer Repräsentant Österreichs bei der EU und der NATO, eröffnete sein Referat mit einem Statement von Joseph Borrell, EU-Minister für Aussen- und Sicherheitspolitik, welches besagt, dass unser Wohlstand auf billiger Energie aus Russland und dem Zugang zu chinesischen Märkten basierte – wobei die Sicherheit weitgehend den USA überlassen wurde. Starlinger ergänzte präzise: «Treffender lässt sich der aktuelle Zustand der EU nicht beschreiben.“
Der Brexit, die Klimakrise, die Covid-19 Krise, der bewaffnete Konflikt in Israel und letztlich der Krieg in der Ukraine beeinflussen sich gegenseitig und stellen auch Folgen langjährigen Vernachlässigung strategischer Bedrohungsanalysen dar. Starlinger ergänzte: „Diese Krisen sind nicht überraschend aufgetreten, sie haben unsere Gesellschaften einfach nur überraschend getroffen.“
Die drei Weltordnungen können gemäss Starlinger wie folgt kategorisiert werden: Die multilaterale Weltordnung (der globale Westen), in dem die USA eine führende Rolle einnehmen. Die revisionistische Weltordnung (der globale Osten), in dem China die führende Rolle einnehmen, wobei diese Ordnung auch massgeblich von den Nationen wie Russland oder auch Iran beeinflusst wird. In dieser Weltordnung streben die beteiligten Nationen danach, die bestehende internationale Rechtsordnung, die sie als von den USA dominiert ansehen, zu untergraben. Das Ziel ist es, diese durch ein neues, auf Macht basierendes multipolares System zu ersetzen, in dem mehrere Grossmächte die globalen Angelegenheiten beeinflussen und kontrollieren. Die reformistische Weltordnung (globaler Süden) wird von Nationen wie Indien, Afrika, Brasilien, Argentinien oder auch die Türkei geprägt, welche eine Reform des internationalen Systems anstreben, um ihre wirtschaftliche und politische Position zu stärken.
Megatrends tragen zum Konfliktpotenzial bei
Der erste Megatrend: Der Übergang von Kooperation zu Konkurrenz. Dieser Megatrend ist gekennzeichnet durch die zunehmende Dysfunktionalität des Multilateralismus. Anstelle von Zusammenarbeit und gemeinsamen Lösung, erleben wir eine multipolare Unordnung, in der Machtpolitik und die Normalisierung von Gewaltanwendung vorherrschen. Die Folge dieser Dysfunktionalität ist, dass militärische Aktionen oft ungeahndet bleiben, was einen globalen Rüstungswettlauf und nukleare Drohungen zur Folge hat. Zudem werden wirtschaftliche Abhängigkeiten immer häufiger als Waffe eingesetzt, um politische Ziele durchzusetzen.
Der zweite Megatrend: Polarisierung und Fragmentierung. Dieser Megatrend ist geprägt durch zunehmende Spannungen und Konflikte zwischen grossen globalen Akteuren und Ideologien. Insbesondere die Rivalität zwischen den USA und China steht im Mittelpunkt, wobei sich Demokratien und Autokratien immer stärker gegenüberstehen. Ein weiteres Merkmal dieses Megatrends ist die wachsende Kluft zwischen dem sogenannten “Globalen Süden” und den BRICS+-Staaten auf der einen Seite und den G20-Staaten auf der anderen. Diese Polarisierung geht mit wirtschaftlichen Sanktionen und Gegensanktionen einher, die die globalen Handelsbeziehungen belasten. Insgesamt zeigt sich der dritte Megatrend durch eine beschleunigte Dynamik globaler Entwicklungen – wie etwa im Bereich der künstlichen Intelligenz, die ohne klare internationale Normen und Kooperation zu erheblichen Herausforderungen führen können.
Die Auswirkungen
Die Spannungen zwischen den USA und China nehmen zu – durch Handelsblockaden kann die Taiwanstrasse, welche eine Schlüsselroute für den globalen Güterhandel darstellt, von China beeinflusst werden. Thomas Starlinger verweist auf den Suezkanal-Vorfall, der die europäische Wirtschaft über ein Jahr lang beeinträchtigte, und die derzeitige Situation im Roten Meer, wo der Schiffsverkehr aufgrund der Huthi-Rebellen drastisch zurückgegangen ist. Diese Beispiele zeigen, wie empfindlich der globale Handel auf Störungen reagiert. Institutionen wie die UNO und deren Tochterorganisationen verlieren im Rahmen der Konfliktverhinderung und -lösung zunehmend ihre globale Wirksamkeit, zahlreiche Sanktionen und Gegensanktionen bringen die finanzielle Stabilität ins Wanken. Letztlich, gemäss der Analyse der Boston Consulting Group wird das Handelsvolumen im Asienraum bis 2030 auf etwa 1.000 Milliarden US-Dollar ansteigen, während der Handel zwischen Europa und Russland um 300 Milliarden US-Dollar sinkt. Dies zeigt eine Verschiebung der globalen Machtzentren und Interessen.
Die Lösungsansätze
Gemäss Starlinger sollten Strategien entwickelt werden, wobei auch Risikoanalyse unabdingbar ist. Nebst den staatlichen und überstaatlichen Frühwarnsystemen für Krisen soll auch ein besseres Verständnis für die strategische Lieferketten geschaffen werden. Aus vergangenen Krisen und Herausforderungen müssen unbedingt Lehren gezogen werden, damit die Multipolarisierung der Gesellschaft nicht weiter voranschreitet.
Veranstaltung
The Spirit of Bern 2024
7. Mai 2024, Kursaal Bern
Energiezukunft Schweiz
Warum Spirit of Bern?
Der Spirit of Bern fungierte dieses Jahr als Plattform, wo führende Vertreterinnen und Vertreter aus der Wirtschaft, Wissenschaft und Politik die Herausforderungen und Chancen der schweizerischen Energiewende erörterten. Im Jahr 2023 hat die Schweizer Bevölkerung das Klima- und Innovationsgesetz angenommen und damit die Energiestrategie 2050 unterstützt. Der VSSU war beim Spirit of Bern 2024 dabei und gewann spannende Einblicke in das hochaktuelle Thema «Energiezukunft Schweiz».
Session 1: Politische Rahmenbedingungen und volkswirtschaftliche Aspekte
Michael Herrmann, Geschäftsführer des Forschungsinstituts Sotomo, eröffnete das Nachmittagsprogramm mit einem Vortrag, in dem er eine der grössten Herausforderungen der Energiewende thematisierte: “Überall, nur nicht bei mir!”. Was heisst das konkret? Gemäss den Umfragen zum Thema Klima geht deutlich hervor, dass 59% Schweizerinnen und Schweizer sich über die Klimadebatte genervt fühlen. 55% Sind der Meinung, bereits genug für den Klimaschutz getan zu haben und 66 % wünschen sich, dass die Energiewende weiter voranschreitet. Herrmann bezeichnet dieses Phänomen als «Handeln ja – aber nicht in meinem Hinterhof» oder «not in my backyard» (Nimby). Dieser Ausdruck wird verwendet, wenn Menschen wichtige Infrastrukturen unterstützen, jedoch deren Bau in der Nähe des eigenen Wohnortes ablehnen, da lokale Nachteile befürchtet werden.
Energieautrark?
Autarkie ist die Fähigkeit, sich selbstständig und unabhängig zu versorgen, ohne auf Fremdenergie angewiesen zu sein. Obwohl die Abhängigkeitsquote der Schweiz im letzten Jahrzehnt abgenommen hat, ist die Schweiz im Bereich der Energieversorgung immer noch auf Importe angewiesen. Die Bevölkerung legt grossen Wert auf die Ästhetik der Landschaft, gleichzeitig sprechen sich 76% gegen Stromimporte aus dem Ausland aus. Herrmann fasst dies abschliessend zusammen als «ein zwiespältiges Bild eines Landes, das zwischen dem Ideal der Autarkie und der Illusion davon schwankt».
Was kann die Wissenschaft zur Energiezukunft beitragen?
Die Energiewende stellt eine komplexe Fragestellung dar, welche stark von politischen und wirtschaftlichen Interessen beeinflusst ist. Christian Rüegg, Direktor des Paul-Scherrer-Instituts (PSI) betonte die Aufgabe der Wissenschaft: unvoreingenommen und faktenbasiert zu informieren. Dadurch soll sichergestellt werden, dass die Entscheidungen auf soliden wissenschaftlichen Grundlagen beruhen und nicht durch einseitige Interessen dominiert werden.
Im Rahmen der diversen Vorträge und Diskussionen, konnten gleiche Herausforderungen herauskristallisiert werden, welche Jürg Grossen, Nationalrat und Präsident der Grünliberalen Partei Schweiz, treffend zusammenfasste: «Politik und Wissenschaft haben viel gemeinsam. Gewisse Dinge brauchen lange, bis sie sich durchsetzen». Komplexe Prozesse, Kompromissfindung, Bürokratie aber auch Einsprachen behindern das Vorankommen. Alexander Keberle, Mitglied der Geschäftsleitung bei «Economiesuisse», brachte dies humorvoll auf den Punkt, indem er die Einsprache als «die fünfte Landessprache der Schweiz» bezeichnete.
Bundesrat Albert Rösti als Abschlussredner
Energisch hält Bundesrat Albert Rösti das Schlusswort des Abends und betont in seiner Rede die Notwendigkeit eines Ja zum Stromgesetz. Zum Abschluss wurden die Gäste mit einem reichhaltigen Apéro verwöhnt, bei dem die lebhaften Diskussionen in entspannter Atmosphäre weitergeführt wurden.
Digitale Strategie
Das EU-Gesetz «EU AI Act» zur Regulierung der künstlichen Intelligenz
EU AI Act
Im Rahmen ihrer digitalen Strategie will das Europäische Parlament künstliche Intelligenz (KI) regulieren, um die sichere, transparente und verantwortungsvolle Entwicklung und Nutzung dieser Technologie zu gewährleisten. Das Gesetz ist darauf ausgerichtet, Innovation zu fördern, während gleichzeitig die Sicherheit, die Grundrechte und die ethischen Standards geschützt werden sollen.
Das Ziel ist, dass die Überwachung dieser KI-Systeme vom Menschen erfolgt, damit die Risiken minimiert werden. Bereits durch die Identifizierung und Bewertung potenzieller Risiken können Massnahmen ergriffen werden. Dies verhindert mögliche Schäden, die durch fehlerhafte oder missbräuchlich verwendete KI-Systeme entstehen können. Die Regulierung verfolgt einen risikobasierten Ansatz und ordnet die Anwendungen von KI entsprechenden Risikokategorien zu.
Auswirkungen auf die Schweiz
Bereits im Jahr 2023 hat der Bundesrat das Eidgenössische Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) beauftragt, bis Ende 2024 verschiedene Ansätze zur Regulierung von künstlicher Intelligenz zu erarbeiten. Mit dieser Analyse möchte der Bundesrat eine fundierte Grundlage schaffen, um im Jahr 2025 einen spezifischen Auftrag für die Erstellung einer Regulierungsvorlage für KI erteilen zu können. Die Anbieter und Nutzer in der Schweiz sind an die EU-Vorschriften gebunden, wenn sie die KI-Systeme in der EU anbieten oder wenn die Ergebnisse ihrer Systeme in der EU genutzt werden. Beispielsweise auch Schweizer Unternehmen, die mit dem EU-Markt interagieren, müssen die Sicherheits- und Transparenzstandards der EU-Vorschriften einhalten.
Die Zukunft der Künstlichen Intelligenz hält das Potenzial für weitreichende Veränderungen in zahlreichen Lebensbereichen bereit. Es ist jedoch von grösster Bedeutung, diese Entwicklungen verantwortungsbewusst zu gestalten und darauf zu achten, dass die daraus resultierenden Vorteile gerecht und nachhaltig verteilt werden. Auf diese Weise kann sichergestellt werden, dass die gesamte Gesellschaft von den Möglichkeiten der KI profitiert und potenzielle Risiken minimiert werden.
Julija Sicova
Redaktion
Blanka Genini
Digital Design und Layout
Elena Ruch
Redaktion, Korrektur
Weiss traduction genoss.
Übersetzung